Servos zur Modellbahnsteuerung

Der folgende Artikel gibt Hinweise zur Verwendung von Servos für Modellbahn-Anlagen und verweist dabei auch auf Probleme, die beim Einsatz von Servos auftreten können. Der Artikel wurde bereits im “Monatsblatt” unseres Vereins (Ausgabe 2, Februar 2019, Seite 4 ff.) veröffentlicht.

Beim Modellbahnbau werden häufig Servos eingesetzt, wenn man langsame Be­wegungen umsetzen will. Bei Weichen, besonders bei solchen mit großen Bogen­radien, Formsignalen oder Toren von Lokschuppen verdrängen sie Magnetspulen oder Motoren als Antriebe.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Bei Servos kann man die Start- und Endposition einstellen, ebenso die Bewegungsgeschwindigkeit. Auch vom Preis her sind sie attraktiv. So kostet ein motorischer Weichenan­trieb (Tillig) bei einem bekannten Internet-Händler 16,90 €, Doppelspulenantrie­be für Weichen liegen im selben Preisniveau. Ein kleiner Servo ist für unter 5 € zu bekommen, bei einem Auktions­haus im Internet sogar für weniger als 2 €. Im Di­gitalbetrieb braucht man für jeden Antrieb einen speziellen Ansteuerungsbaustein. Hier liegen die Preise etwa im selben Bereich. Der „Switch-Pilot-Servo“ von ESU ist sogar geringfügig billiger als der normale „Switch-Pilot“ für Magnet-Antrie­be. Motorische Antriebe schnei­den hier am schlechtesten ab. Sie benötigen ei­nen speziellen Adapter zwischen Steuermodul und Antrieb. Littfinski bietet zwar spezielle Steuermodule für motori­sche Antriebe an, diese sind aber ebenfalls teurer als die entsprechenden Module für Magnetantriebe.

Das Preisargument gilt allerdings nicht für die analoge Modellbahnsteuerung. Hier benötigt man für die konventionellen Antriebe – Motor oder Magnetspulen – nur einen Taster oder Kippschalter. Für einen Servo ist immer eine Elektronik zur Ansteuerung notwendig. Deshalb ist der Vormarsch der Servos auch mit der Verbrei­tung der digitalen Steuerung verbunden, wo sie speziell motorische Antriebe verdrängen.

Eine Sonderstellung nimmt allerdings die Ansteuerung von Formsignalen ein, die aus Bausätzen von Völkner bzw. Viessmann gebaut wurden. Der zylindrische Doppelspulenantrieb, der bei den Fertigmodellen werkseitig angebaut ist, ist nachträglich nur schwer anzubringen. Hier bleiben auch für den Modellbahner mit analoger Steuerung nur Servos zum Antrieb übrig.

Allerdings sind Servos nicht problemlos, vor allem bei den Leichtgewichten mit nur 9 Gramm Masse ist Vorsicht geboten. So warnt der Hersteller des Typs “SG 90” auf sei­ner Internet-Seite vor Exemplaren, die ohne Prüfzeichen in den Handel kommen, angeboten über ein Internet-Auktionshaus aus China.

Um die möglichen Probleme zu verstehen und zu lösen, muss man den Aufbau und die Funktionsweise von Servos kennen. Der Aufbau und die Funktion ist auf der Seite https://www.electronicsplanet.ch/Roboter/Servo/intern/intern.htm gut be­schrieben.

Ein Servo besteht aus einem Gleichstrommotor mit einem stark untersetzenden Getriebe. Auf der Abtriebswelle sitzt außerhalb des Gehäuses der Servoarm und innerhalb des Gehäuses ein Potentiometer. Eine Elektronik im Servo wertet den Stellbefehl aus und das Potentiometer dient einem Soll-Ist-Abgleich. Dieser Abgleich findet ständig statt, der Servo ist also dauernd in Betrieb im Gegensatz zu konventionel­len Antrieben, die spannungslos bleiben, solange kein Schaltbefehl erteilt wird. Der ursprüngliche Einsatz der kleinen Servos waren Modellfahrzeuge, -flug­zeuge und -schiffe, wo ständig die Ruderausschläge korrigiert werden müssen und auch nicht nur die jeweiligen Endlagen angefahren werden. Bei der Modell­bahn spielen diese Zwischenlagen natürlich keine Rolle: Eine Weiche, die zwi­schen den Endlagen stehen bleibt, wird wohl niemand haben wollen.

Ein Servo ist mit einem drei-adrigen Flachbandkabel mit einer Steuereinheit verbun­den. Schwarz oder braun ist die gemeinsame Masse, rot trägt +5 V DC und gelb oder orange das Steuersignal. Das Steuersignal ist ein Rechteckimpuls von 4,8 V bis 5 V, das alle 20 msec gesendet wird. Der Impuls selbst ist 1 – 2 msec lang. Vgl. auch https://rn-wissen.de/wiki/index.php?title=Servos  oder http://www.ee.ic.ac.uk/pcheung/teaching/DE1_EE/stores/sg90_datasheet.pdf . Eine Impulslänge von 1,5 msec führt den Servo in Mittelstellung, 1 msec dreht den Servo 90° nach links, 2 msec 90° nach rechts. Impulszeiten zwischen diesen Werten führen zu entsprechenden proportionalen Winkeln dazwischen. Soweit die Theorie. In der Praxis werden diese Vorgaben gerade bei kleinen Servos nicht immer eingehalten: Der Gesamtdrehbereich kann kleiner als 180° sein, die Endla­gen können auch schon bei Impulszeiten über 1 msec bzw. unter 2 msec erreicht werden, der Servo kann falsch herum drehen.

Das alles ist aber im Modellbahnbereich ohne Bedeutung, 180° Drehwinkel benö­tigt man nicht und die Anfangs- bzw. Endpunkte der Bewegung werden mit dem notwendigen Steuergerät eingestellt. Dieses Steuergerät wird mit dem jeweils verwendeten Digitalprotokoll , also üblicherweise DCC, mfx, MM oder SX, ange­sprochen und schickt dann die entsprechende Impulsfolge an den Servo. Der Servo-Decoder (und damit letztlich der Servo) bekommt also eine Adresse. Die Position 1 wird so eingestellt, dass zum Beispiel das Formsignal HP0 zeigt und die Position 2 so, dass das Formsignal HP1 zeigt. Schließlich wird noch die gewünschte Bewegungsge­schwindigkeit eingestellt. Dabei hat man selbst mit Impulslängen und Im­pulsfolgen nichts zu tun.

Das Angebot der Servo-Decoder ist sehr unterschiedlich und man sollte sich vor dem Kauf mit der Bedienungsanleitung, die üblicherweise in Internet als pdf-Datei vorliegt, vertraut machen. So ist der Decoder von Uhlenbrock auf die Intellibox als Zentra­le abgestimmt. Man benötigt ein Tastenfeld auf der Steuereinheit zum Stellen von Weichen oder anderen Magnetartikeln. Der Servo-Decoder von Digikeijs setzt hingegen einen Drehregler voraus. Wie bei Digikeijs üblich stellt man die Parameter im POM[1]-Verfahren ein, ein ansonsten ungewöhnlicher Weg. Der Switch-Control-Servo von ESU stellt keine Anforderungen an die Zentrale. Man stellt bei ihm die Para­meter, außer der Adresse, völlig ohne Digitalzentrale und nur mit einer Spannungsver­sorgung mit AC oder DC, ein. Auch das Steuern des Servos ist hier ohne Digi­talzentzrale, also rein analog mittels Schalter, möglich.

Zu beachten ist in jeden Fall, dass Servos vor allem beim Einschalten recht viel Strom verbrauchen. Die Hersteller halten sich mit Angaben bedeckt. Hohe Ströme sind bei Ma­gnetspulenantriebe auch üblich, aber sie treten nur kurzzeitig auf. Servos laufen aber so lange, bis sie die Endposition erreicht haben, bis also der interne Soll-Ist-Abgleich erfolgreich durchgeführt wurde. Klemmt zum Beispiel ein Signal, das von einem Servo gestellt wird, läuft der Servo unverdrossen weiter. Dieses Problem tritt be­sonders häufig auf, wenn eine Stellung des Signals mit der technischen Endstel­lung des Servos übereinstimmt. Dann führt die geringste Störung, zum Beispiel eine ther­mische Verkürzung oder Verlängerung des Stelldrahtes, zu einem Dauerv­ersuch eine unerreichbare Endlage einzunehmen. Also sollte immer ein wenig Reser­ve beim Einstellen gelassen werden.

Auch neigen gerade kleine Servos zu zuckenden Bewegungen vor dieser uner­reichbaren Endlage, verbunden mit schnarrenden Geräuschen und einem hohem Strom­verbrauch.

Besonders ärgerlich ist der hohe Strom beim Einschalten. Weil normalerweise die gesamte Anlage eingeschaltet wird, beginnen alle Servos, die dazu neigen, also speziell die kleinen, zu zucken. Das bedeutet, es werden plötzlich einige Ampere an Strom benötigt. Kann die Spannungsquelle diesen Strom nicht liefern und die Spannung sinkt, erreichen die Schaltimpulse nicht mehr die erforderliche Spannung und die Servos kommen in einen undefinierten Zustand. Dabei bewegen sie sich mit hefti­gen Ausschlägen. Es sind dabei schon Signalflügel über die Anlage gesegelt. Deshalb ist dringend zu empfehlen, für Servos auf eine ausreichende Stromver­sorgung zu achten und sie auf keinen Fall über die Zentrale zu versorgen.

Ich habe zwei Versionen des SG 90, mit und ohne Prüfzei­chen auf den Stromverb­rauch hin getestet. Dazu habe ich sie an einem Switch-Pilot-Servo von ESU mit 12V DC aus einem La­bor-Netzgerät ohne Digital­zentrale betrieben.

Zwei scheinbar identische Servos mit unterschiedlichen Aufdrucken. Der rechte trägt an der Unterseite das Prüfzeichen “QC” und hat einen Kondensator am Spannungseingang.

Die Ser­vos unterscheiden sich im Aufbau neben der Beschrif­tung auch dadurch, dass bei dem Servo mit dem QC-Prüf­zeichen (im Bild rechts) an der Unter­seite ein Kondensator am Ein­gang der Versorgungsspan­nung verbaut ist. Im Betrieb ziehen beide Servos knapp un­ter 100 mA. Beim Einschalten der Versorgungsspannung ist der Un­terschied enorm. Beim Servo mit Prüfzeichen schlägt das Amperemeter am Netz­gerät kurz bis über 0,5A aus, bei dem ohne Prüfzeichen bis über 1A. Wegen seiner me­chanischen Trägheit zeigt das Drehspulinstrument nicht den maximalen Strom an. Die  sehr kurzzeiti­ge Stromspitze ist höher[2].

Interessant war auch die Beobachtung, dass ein Servo, bei dem ich die Zuleitun­gen verlängert hatte, deutlich länger nach dem Einschalten zuckte. Auch zeigte er dieses Zucken, wenn andere Servos geschaltet wurden. Vermutlich wird das sehr schwache Steuersignal leicht gestört.

Hat man viele Servos im Einsatz, weil man zum Beispiel die Weichen damit schaltet, soll­ten drei oder maximal vier Servo-Decoder eine eigene Stromversorgung bekommen, am besten PC-Netzteile, die recht robust sind und kurzzeitige Stromspitzen vertra­gen. Auch sollte man lange Leitungen ver­meiden, womit aber wieder der Preis­vorteil gegenüber anderen konventionellen Antrieben sinkt. Man braucht dann ja unter Umständen mehr Servodecoder. Die ganz billigen SG 90 ohne Prüfvermerk sollte man allerdings vermeiden.

Friedhelm Rakowsky

 

[1]     POM = Programming On the Main, Programmieren auf dem Hauptgleis, also nicht am Programmierausgang

[2]     Physikalisch gesehen haben wir hier ein ballistisches Galvanometer, der Aus­schlag ist proportional zu ∫idt , also der Ladung