Der folgende Beitrag ist aus unserem Dezember-Monatsblatt 2017 entnommen:
Obwohl die Eisenbahnfreunde Lippe im Jahre 2009 die Regionaltagung West ausgerichtet hatten, galt unsere Teilnahme in den letzten Jahren immer der Region Nord. Es gibt keine klare Grenzziehung und die Teilnahme richtet sich dann eher nach der Erreichbarkeit und dem Interesse an dem Programm und diese Kriterien führten uns nach Norden. Bremen war für mich wegen familiärer Beziehungen schon fast ein Pflichtprogramm und eine Stadtrundfahrt mit einer Straßenbahn ein besonderes Erlebnis. Wegen der noch immer andauernden Bauarbeiten am Vereinsheim in Ehlenbruch war ich als „Ein Mann Delegation“ dabei, allerdings verstärkt durch meine Tochter, die sich als Wahlbremerin das Programm nicht entgehen lassen wollte.
Die Straßenbahn-Rundfahrt sollte um 09:30 an der „Horner Mühle“ starten. Die Horner Mühle ist eine von vier noch existierenden Mühlen im Bremer Stadtgebiet und an der Haltestelle der Straßenbahnlinie 4 befindet sich eine Wendeschleife, die allerdings im Linienbetrieb derzeit nicht genutzt wird.
Die Bremer Straßenbahnen sind alle auf Ein-Richtungs-Verkehr ausgelegt, so dass an den Endhaltestellen Kehrschleifen oder Gleisdreiecke nötig sind. Pünktlich erschien dann der Triebwagen 811 mit Beiwagen 1806. Beide wurden 1954 bei Hansa Waggonbau in Bremen-Hemelingen gebaut.
Die Weiche in die Kehrschleife musste nicht nur von Hand umgestellt werden, sondern auch erst frei gefegt werden. Wir mussten noch 10 Minuten auf die Teilnehmer warten, die direkt zum Vereinsheim des MEC Bremen in Oberneuland gefahren waren und mit dem Bus der Linie 44 zur Horner Mühle fuhren. Immerhin, die Straßenbahn war warm und nach dem schneidenden Wind war das weitere Warten im Wagen kein Problem.
Auf der Strecke der Linie 4 ging es dann zum Hauptbahnhof, wo weitere Teilnehmer, die mit dem Zug angereist waren, warteten. Am Hauptbahnhof gibt es eine gesonderte Haltestelle für Museumsbahnen, sodass der normale Linienbetrieb durch uns nicht gestört wurde.
Von dort aus ging die Fahrt nach Westen zur „Überseestadt“, die ihren Namen von einem inzwischen zugeschütteten Hafenbecken hat. Dort liegt ein 4-Schienen-Gleis:
Eine Güterzugstrecke verläuft auf der Straßenbahntrasse und obwohl die Bremer Straßenbahn auf der Normalspur von 1435 mm fährt, nutzt man nicht dieselben Schienen. Die Schienen der Güterstrecke liegen leicht versetzt, sodass man die Weichen zum Ein- uns Ausfädeln spart. Die Güterstrecke bedient derzeit nur die Fa. Kelloggs mit derzeit einem Güterzug pro Woche. Weil die Produktionseinstellung bei Kelloggs absehbar ist, wird auch diese betriebliche Besonderheit bald Geschichte sein1. Die Größe des Rangierbahnhofs auf dem Kelloggs-Gelände ist jedoch beachtlich. Ansonsten entsteht hier ein modernes Gewerbegebiet aber auch Wohnbebauung der gehobenen Klasse. Über Betriebsgleise, die im Linienverkehr nicht genutzt werden, kamen wir auf die Strecke der Linie 2, die uns durch Bremens „gute Stube“ führte, vorbei am Rathaus mit Roland und dem Bronze-Standbild der Stadtmusikanten. Wer Wünsche hat, sollte die Hufe des Esels mit beiden Händen umfassen, dann werden sie erfüllt2. Wird mit einer Hand ein Huf angefasst, dann gibt ein Esel einem anderen Esel die Hand!
Über die „Domsheide“, dem nach dem Hauptbahnhof zweiten großen Knoten des städtischen ÖPNV ging es durch das Steintorviertel, oft nur „Viertel“ genannt. Hier werden, wie unser Stadtführer betonte, abends die Bürgersteige nicht hochgeklappt. Nach Osten abgeschlossen wird das Viertel durch das Gleisdreieck, an dem sich die Linien 2 und 3 trennen. Hier steht der „Werder-Kiosk“, wo die Fans in Grün und Weiß aussteigen, um ins nahegelegene Weserstadion zu gehen.
Bald darauf war das Depot Sebaldsbrück erreicht, wo die „Freunde der Bremer Straßenbahn e.V.“ ihr Domizil haben. Dort sind viele historische Straßenbahnen untergebracht. Prunkstücke sind der Triebwagen 49 aus dem Jahre 1900 und der Pferdebahnwagen 23 aus dem Jahre 1888.
Bei letzterem ist die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Es ist geplant, ihn im Museumsbetrieb mit einzusetzen. Deshalb hat er eine Hilfskupplung bekommen, wie sie an allen Bremer Straßenbahnfahrzeugen, bei neueren versteckt, eingebaut ist. So kann man ihn mit einem Triebwagen zum Einsatzgebiet schleppen, ehe man dann dort ein Pferd vorspannt.
Einige Fahrzeuge werden als Fahrschulwagen genutzt. Die BSAG hat einen „Party-Wagen“, der auch dort abgestellt ist. Dieser hat noch die bekannte Kurbel, wofür die Fahrer gesondert geschult werden müssen.
Auch die Jugendgruppe der „Freunde der Bremer Straßenbahn“ hat hier ihr eigenes Domizil, stilgerecht in einem Straßenbahn-Beiwagen.
Interessant ist auch die erste Niederflur Straßenbahn der BSAG, die nach Probeeinsätzen in Bremen zu Erprobungsfahrten auf Europa-Tournee ging, u.a. nach München, Amsterdam und Stockholm. Zuletzt war sie in Norrköpping im Einsatz, weshalb die Beschriftungen noch schwedisch sind.
Weitere Museumsfahrzeuge der BSAG:
Mit der Buslinie 44 ging es dann zum Heimatverein Oberneuland, dem Nachbarn des MEC Bremen. Beide Vereine sind auf dem „Klatte Hoff“ in Oberneuland zu Hause. Dort war auf der Deele das Mittagessen vorbereitet und nachdem sich die Teilnehmer gestärkt hatten, eröffnete Hans-Dieter Schmidt die Regionaltagung. Nach einem kurzen Bericht gab er einen Ausblick auf die kommenden Bundestreffen 2018 in Frankfurt und 2019 in Hamburg. In beiden Fällen ist es schwer, ein Tagungshotel zu finden weil parallel Veranstaltungen mit einer großen Anzahl zahlungskräftiger Teilnehmer stattfinden. In Hamburg wird eine Fahrt mit der Hafenbahn angeboten, an der leider nur wenige Teilnehmer mitfahren können. Schnelle Anmeldung wird daher empfohlen. Auch ist eine Fahrt geplant, die über die und unter der Rendsburger Hochbrücke hindurch führt.
Zum 60 jährigen Jubiläum des BDEF wird ein von Piko gefertigtes Sondermodell eines Bm in H0 mit Sonderbedruckung angeboten. Auch eine 101 soll folgen, wobei die Sonderbedruckung noch nicht geklärt ist. Eine 101 der DB soll 3 Monate so fahren. Der derzeitige vom BDEF in Auftrag gegebene Entwurf von Gudrun Gaiblinger wurde von der DB abgelehnt, weil der in der Lokmitte angebrachte „DB-Keks“ dabei von der Folie überdeckt würde. Der DB-Vorschlag wiederum gefällt dem BDEF nicht. Lok und Wagen sollen allen Mitgliedsvereinigungen noch einmal angeboten werden, wobei die Frage auftauchte, warum diese Sondermodelle nicht auch in N angeboten würden. Zumindest entsprechende verkleinerte Details sollten doch kein Problem bereiten.
Einen breiten Raum nahmen in der Diskussion die Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung für Modellbahnmaterial ein. Einige Firmen scheinen grundsätzlich keine Ersatzteile zu liefern. Auch die Bewertung von Modellen in den Fachzeitschriften wurde kritisiert. Die Abhängigkeit von den Herstellern als nahezu einzigen Anzeigenkunden schließt kritische Berichte leider aus. Ein Problem des BDEF ist die schon lange bestehende Vakanz des Referats für Modellbau. Nachdem man im BDEF das Teilgebiet „Normen“ aus den Aufgaben dieses Referats gelöst hat, besteht berechtigte Hoffnung, diese Vakanz in absehbarer Zeit zu schließen. Näher wollte sich Hans-Dieter Schmidt dazu nicht äußern um die sich anbahnende Lösung nicht zu gefährden. Den Anspruch, auf eine Normung speziell im Digitalbereich zu bewirken, hat der BDEF offensichtlich aufgegeben.
Die Anlage des MEC Bremen, gleich nebenan im ehemaligen Kuhstall, ist inzwischen fast fertig. Ich hatte sie vor etlichen Jahren schon einmal gesehen, damals war noch vieles in Planung. Der Gleisplan ist auf der Internetseite veröffentlicht. Das Grundkonzept ist ein lang gestrecktes „U“ mit Arbeitstischen in der Mitte für kleinere Arbeiten, was eine Idee für unsere künftigen Planungen sein könnte.
Ein Bus der Linie 34 brachte mich zurück zur „Horner Mühle“, die Straßenbahn Linie 4 zum Hauptbahnhof und der Bus der Linie 25 nach Findorff, wo ich morgens gestartet war.
Friedhelm Rakowsky
- Beim Verfassen des Monatsblattes wurde in der Presse gemeldet, dass Kelloggs in Bremen die Produktion eingestellt hat. ↩
- Zum Erfüllen der Wünsche nutzt ein Eisenbahnfreund dann am besten die Linie 4 bis Lilienthal Mitte oder die Linie 1 bis Weserpark Süd. Dort sind überregional bekannte Modellbahn-Läden ansässig. ↩