Die Bahnsteige und Bahnsteighallen des Bahnhofs Detmold

Die Weiterführung des Streckengleises in Richtung Altenbeken im Jahre 1893 bedeutete für die Entwicklung des Detmolder Bahngeländes eine Zäsur. Mit der Weiterführung der Strecke war nämlich die Höherlegung des gesamten Bahnkörpers verbunden, damit die Eisenbahn kreuzungsfrei durch die heutige Kernstadt Detmold hinweggeführt werden konnte. Mit welchen Anstrengungen dieses Vorhaben verbunden war, wurde bereits in einem früheren Beitrag angesprochen1.

Mit der Anhebung des Gleisniveaus entstand im Bereich der bis dato schon existierenden Bahngebäude (Empfangsgebäude, Lokbehandlungsanlagen, Güterabfertigung) eine ganz neue Situation. Dass damit auch die Bahnsteiganlage betroffen war, versteht sich daher von selbst. Die weitere Darstellung der Bahnsteige und Bahnsteighallen wird sich daher in die nachfolgende Betrachtung des alten Bahnsteiges (1880 – 1893) und des neuen Bahnsteiges (1893 – heute) gliedern.

Nach der Reparatur des Daches und dem Neuanstrich der gusseisernen Säulen präsentiert sich die Detmolder Bahnsteighalle heute wieder in einem sehr ansehnlichen Zustand. Die Aufnahme vom westlichen Ende der Halle entstand am 15.09.2007 (Foto: Konrad Soppa)
Nach Beseitigung der Überdachung zwischen dem Empfangsgebäude und dem Bahndamm ist nun wieder die Betonbefestigung erkennbar, die den hochgelegten Gleiskörper vor dem Abrutschen sichert. Die Aufnahme entstand am 16.12.2007 (Foto: Konrad Soppa)

Der alte Bahnsteig

Es sind nur ganz wenige historische Fotos bekannt, die den Detmolder Bahnhof von der Gleisseite her zeigen (und auf diesen Bildern ist der Bahnhof zumeist mehr schlecht als recht zu erkennen). Aus der Zeit vor 1893 sind nur Aufnahmen bekannt, die das Empfangsgebäude von der Straßenseite her zeigen und daher keinen Aufschluss über den Bahnsteig geben (jedenfalls nicht in dessen voller Länge).

Auf einer dieser Aufnahmen2 sind wenigstens Teile des östlichen Bahnsteigendes einschließlich der Überdachung zu erkennen. So ist zu sehen, dass der Bahnsteig (und es gab zu diesem Zeitpunkt nur den einen) über einen hellen Belag verfügte. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um Betonplatten. Was die Länge des Bahnsteiges angeht, darf man davon ausgehen, dass sich diese an der Länge des Empfangsgebäudes orientierte. Diese Länge scheint für die üblichen Personenzüge jener Zeit absolut ausreichend gewesen zu sein. Das vorerwähnte Foto lässt zudem die Bahnsteighalle erkennen, deren Konstruktion und Gestaltung dem damaligen Stand der Eisenbahnarchitektur im ländlichen Raum entsprach. Danach war das Hallendach auf der Gebäudeseite direkt mit dem Empfangsgebäude verbunden, zur Gleisseite hin ruhte es auf Säulen, wobei sich die gesamte Dachfläche der besseren Entwässerung wegen zur Gleisseite hin neigte. Alle anderen größeren lippischen Bahnhöfe verfügten über eine vergleichbare Konstruktion.

Mit der Weiterführung der Strecke in Richtung Altenbeken ergab sich eine völlig neue Situation, da es wegen der Gleisanhebung nicht mehr möglich war, vom bisherigen Bahnsteig aus in den Zug zu gelangen. Nach nur 13 Jahren seit der Inbetriebnahme der Detmolder Bahn musste also eine neue Lösung gefunden werden.

Der neue Bahnsteig

Im Bereich des Empfangsgebäudes erreichte die Aufschüttung des Bahndamms eine Höhe von 3,94 m (gemessen mit bisherigem Niveau bis zur Schienenoberkante), wobei der Gleiskörper mit seitlichen Befestigungen aus Beton gegen das Abrutschen gesichert war. Im Bereich des Empfangsgebäudes war die Aufschüttung in einer Breite vorgenommen worden, die es erlaubte, neben dem Schienenstrang auch noch einen Bahnsteig anzulegen. Der alte Bahnsteig blieb derweil erhalten, wurde jedoch auf beiden Seiten um Rampen verlängert, die es erlaubten, mit Postgepäckwagen auf den neuen Bahnsteig zu gelangen3. Später wurde der alte Bahnsteig überdacht, sodass sich eine Art Halle ergab, die das Bahnhofsgebäude mit der Stützmauer des Gleiskörpers verband. Im Zuge der Renovierungsarbeiten am Empfangsgebäude wurde die Überdachung ersatzlos entfernt.

Für die Reisenden war eine andere Lösung vorgesehen. Sie gelangten durch einen kurzen Tunnel und zwei Treppenaufgängen auf den neuen Bahnsteig. Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Personentunnel. Er befand sich dort, wo auf der Seite des Fürstenanbaus heute alte Formsignale als Denkmal aufgestellt sind4. Größe und Lage des Tunnels lassen vermuten, dass es sich hierbei um einen Treppenaufgang handelte, der mit der Nutzung des Fürstenzimmers zusammenhing. Laut entsprechender Pressemitteilungen soll der Tunnel als solcher noch vorhanden, aber verfüllt sein. Jedenfalls zeichnet sich der ehemalige Eingang in den Tunnel heute noch deutlich sichtbar in der Stützwand des Gleiskörpers ab. Daneben gab es am Ostende des Bahnsteiges einen Lastenaufzug, der offenbar nur für den Dienstgebrauch aber nicht für die allgemeine Benutzung gedacht war. Auch für diesen Aufzug bedurfte es eines Tunnels unter dem Hausgleis her. Während der vorerwähnte „Fürstentunnel“ aller Wahrscheinlichkeit nach bereits 1893 angelegt wurde, ist der Bau des zum Aufzug führenden Tunnels noch unklar. Möglicherweise war aber auch er bereits von Anfang an vorhanden und wohl in das alte Stellwerk integriert, das kurz nach Inbetriebnahme der Strecke nach Altenbeken auf dem Bahnsteig angelegt wurde5. Wie lange das Stellwerk an dieser Stelle Bestand hatte, ist leider nicht bekannt.

Während man sich im benachbarten Lage zur gleichen Zeit vergeblich darum bemühte, den dortigen Inselbahnsteig durch die Bahnverwaltung überdacht zu bekommen, hatte man in Detmold in dieser Hinsicht etwas mehr Glück (oder vielleicht bessere Einflussmöglichkeiten?). Der neue Bahnsteig erhielt nämlich von Anfang an eine solide Bahnsteighalle, obwohl in Detmold im Jahresdurchschnitt etwa die gleiche Zahl von Reisenden abgefertigt wurde wie in Lage. Jedenfalls errichtete die preußische Staatsbahn mit gusseisernen Säulen, die im oberen Bereich mit Ornamenten verziert waren, und einem flachen Satteldach eine Bahnsteighalle, wie sie dem Stil der Zeit entsprach und im gesamten Gebiet der KPEV anzutreffen war6. Überdacht war aber nicht die Gesamtlänge des Bahnsteiges, da die Halle in etwa auf die Länge des Empfangsgebäudes begrenzt war.

Wer sich die Bahnsteighalle aufmerksam ansieht, dem wird das leicht unterschiedliche Aussehen der Säulen sofort auffallen und am Übergang der einen Säulenart zur anderen im Dachbereich Verbindungsstellen feststellen. Der Schluss, wonach die ursprünglich kurze Halle irgendwann verlängert wurde, liegt damit nachvollziehbar auf der Hand. Spekulationen, wonach die Verlängerung 1903 unter Verwendung einer in Lage abmontierten Halle geschah, wurden schon an anderer Stelle angestellt und brauchen hier nicht vertieft zu werden7.

Zu einer grundlegenden Veränderung des Bahnsteiges und seiner Überdachung, ist es nach allem, was man weiß, bis zum Jahre 2007 nicht mehr gekommen. Bis heute versprühen die Geländer und Handläufe des Treppenaufganges, die alten Emaille-Stationsschilder und das Kopfsteinpflaster des Bahnsteigbelages das Flair der kaiserlichen Eisenbahn und erinnern auf ihre Weise stumm an die große Zeit der KPEV, die als Staatsbahn des übermächtigen preußischen Nachbarn über Jahrzehnte hinweg auch die lippischen Eisenbahngeschicke lenkte.

Die in den 1990er Jahren erfolgten kleinen Modernisierungen (elektrische Zugzielanzeiger, Gepäckförderband am westlichen Treppenaufgang) konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bahnsteig, wie auch das Empfangsgebäude und dessen näheres Umfeld, immer mehr vernachlässigt wurden. Die Stadt hatte vielleicht den Willen hier gegenzusteuern, allerdings fehlten ihr die Einflussmöglichkeiten, wohingegen die Bahn die Möglichkeit, aber nicht den Willen zur Verbesserung hatte. Eine grundlegende Veränderung dieser misslichen Situation ergab sich erst durch den Entschluss der Deutschen Bahn AG, im gesamten Bundesgebiet tausende von Empfangsgebäuden zu verkaufen, hierunter auch das Detmolder. Während das Empfangsgebäude nach reichlichem Hin und Her letztlich von der Stadt angekauft wurde, blieb der Bahnsteig im Eigentum der Bahn.

Massiver Wassereintritt durch die undicht gewordene Dachhaut am westlichen Ende der Bahnsteighalle sorgte für Fäulnis am tragenden Gebälk der Halle, sodass hier Ende 2005 dringender Sanierungsbedarf bestand. Zeitweise wurde der Bahnsteig abgesperrt, da man befürchtete, Teile des Daches könnten herunterfallen. Die in Anbetracht der notwendigen Arbeiten ganz beträchtlichen Kosten der Baumaßnahme trug letztlich der Verkehrsverbund Ostwestfalen. Nach Abschluss dieser Arbeiten spendierte man der gesamten Halle noch zusätzlich eine neue Farbgebung (die hölzerne Konstruktion des Daches wurde in einem hellen Steingrau gestrichen, welches das dunkle Maisgelb ablöste).

Im Zuge der Renovierung des Empfangsgebäudes in den Jahren 2006 und 2007 erfolgten auch Arbeiten am Bahnsteig. Hier wurden im Bereich des östlichen Treppenaufganges die Stufen entfernt. Auf diese Weise entstand eine Art Schacht, in welchem eine moderne Aufzuganlage installiert wurde, die insbesondere den gehbehinderten Reisenden zugute kommt.

Was sich am Detmolder Bahnsteig künftig noch tun wird, ist gegenwärtig schwer absehbar. Vielleicht werden die silbernen Säulen der Bahnsteighalle über kurz oder lang noch einmal gestrichen. Farbversuche an der kapitellaren Ornamentik einiger Säulen am Ostende der Halle legen diese Vermutung jedenfalls nahe. Annähernd sicher scheint aber zu sein, dass die historischen Bahnsteige an die Einstiegshöhen des modernen Fahrzeugparks angepasst werden müssen. Spätestens dann wird es der alten Bahnsteigoberfläche mit dem kleinen Kopfsteinpflaster, das sich hier und da mit Betonplatten und Gussasphalt abwechselt, ans Leder gehen. Auch wenn der Boden des Bahnsteiges nicht (mehr) sonderlich schön aussieht, darf man darüber nicht vergessen, dass wir es in Detmold mit einem historisch zu nennenden Bahnsteigbelag zu tun haben, dessen Alter wohl nur noch durch denjenigen auf der Station Sylbach, im Bereich der dortigen Handkurbel für die nagegelegene Schrankenanlage, übertroffen wird.

Von Konrad Soppa

  1. Soppa, Bahnhof Detmold gehört jetzt der Stadt, in: EFL-Mitteilungsblatt 2/2005, S. 4-6
  2. Lippische Landesbibliothek, „Fotopostkarte Bahnhof vor dem 2. Gleisbau“, Sign. BADT-64-26
  3. Vorstand des Lippischen Handels- und Gewerbe-Vereins, Zur Eröffnung der Eisenbahn Detmold – Altenbeken, Detmold 1895, S. 24
  4. Der im Jahre 1936 bereits mit einem Gitter verschlossene Eingang ist auf einem Foto der Lippischen Landesbibliothek (BADT-31-38a) zu erkennen
  5. Das Stellwerk ist auf folgenden Fotos im Bestand der Lippischen Landesbibliothek zu sehen: BASP-DT-INS-48, BASP-DT-INS-49 und BASP-DT-INS-50
  6. In Anspielung auf die Tatsache des Residenzbahnhofes hält Meyer zur Überdachung folgendes fest: „Schon bei der Ankunft in Detmold fällt an der üppigen Ausstattung der Bahnsteigüberdachung auf , dass hier ein besonderer Ort besucht wird. Die schmuckvolle Ausbildung der Binder verleiht der Ankunft nicht nur Schutz und Geborgenheit, sondern auch noch einen optischen Reiz.“ (Meyer, Zur baugeschichtlichen Einordnung einiger Bahnhofsbauten in Lippe, S. 127
  7. Soppa, Die Bahnsteighallen auf Bahnhof Lage (Lippe), in EFL-Mitteilungsblatt 11/2001, S. 4-6