Der Begriff der Industriekultur steht für die Beschäftigung mit der gesamten Kulturgeschichte des industriellen Zeitalters. Die Geschichte der Technik, die industriellen Artefakte sowie die Sozialgeschichte der Arbeit sind dabei wichtige Facetten, solange sie einen unmittelbaren Bezug zu Prinzipien und Prozessen der industriellen Fertigung haben (Wikipedia). Der vorliegende Beitrag greift hierfür exemplarisch die Feldbahnen im Kontext der historischen Ziegeleibetriebe heraus.
Gewinnung von Ton in der vorindustriellen Zeit
In der vorindustriellen Zeit wurde der Ton in der Winterzeit abgebaut, damit sich seine Qualität durch Frosteinwirkung verbesserte. Hierfür fanden sich oft ortsansässige Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft, die den Ton nur mit Hacke und Spaten losbrachen. Mit diesem Arbeitsverfahren konnten Tiefen von über 2 m erreicht werden.

Die winterliche Arbeit im Lehmberg war wegen der Nässe und der eisigen Kälte eine der unangenehmsten und härtesten im Ziegeleibetrieb. Häufige Folgen waren schon in jungen Lebensjahren auftretende Gichterkrankungen sowie Erfrierungen an den Händen. Der Lehmabbau bedeutete körperliche Schwerstarbeit: für 1.000 Ziegelsteine waren mehr als 3 t Lehm zu verarbeiten. Das entsprach einer Materialmenge von etwa 2 m3.
Über den Transport des Lehms aus der Tongrube zur Ziegelei liegen für die vorindustrielle Zeit nur wenige Informationen vor. Anzunehmen ist, dass der Lehm ursprünglich mit Fuhrwerken von der Abbaustelle zur Weiterverarbeitung geschafft wurde, bzw. damit überhaupt erst auf das Ziegeleigelände gelangte. Der ehemalige Ziegler Heinrich Wehmeier wusste in einem Interview zu berichten, dass es ein Pony war, das immer zwei beladene Loren aus dem Lehmberg ziehen musste. Danach folgte das Auskippen der Loren in die Tonmühle, die von einem Pferd angetrieben wurde. Die Nutzung der Pferdekraft für die Beförderung der Loren war offenbar noch bis in die 1930er Jahre hinein üblich, denn nur selten standen bereits kleine Feldbahnloks zur Verfügung.

Neuartige Feldbahnen und ihre Auswirkungen
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich für Feldbahnen die Bezeichnung „transportable Industrie- und Feldeisenbahn“ durch. Hauptnutzer war die Landwirtschaft und dort allen voran die Zuckerfabriken. Einer Erhebung zufolge lagen 1883 allein in Preußen bereits 580 km Feldbahngleis. Der flächendeckende Einsatz der Feldbahnen begann um 1900, als einfache, von Hand zu verlegende Gleise und flexible Loren als Massenware verfügbar wurden. Der große Vorteil des Feldbahnsystems war seine Flexibilität, denn die einfachen Gleise und Weichen konnten fast überall verlegt werden. Die Feldbahn war damit ein denkbar vielfältiges Verkehrsmittel (Beyer, Feldbahngeschichten).
Eine Tagesproduktion von 30.000 Ziegeln machte immerhin den Inhalt von ca. 200 Kipploren notwendig. Diese Zahlen lassen deutlich werden, welche Erleichterung das Vorhandensein der kleinen Bahnen für die Arbeiter und die Produktion bedeutete. Anfänglich wurde der Lehmbruch aus der Tongrube mit Karren abgefahren, denen Zugtiere vorgespannt waren. Die Verlegung von Feldbahngleisen brachte insofern eine Erleichterung, als der benötigte Kraftaufwand durch das auf dem Gleis abrollende eiserne Rad jetzt wesentlich geringer war. Soweit noch keine werkseigene Feldbahnlok zur Verfügung stand – was bei kleineren Ziegeleien lange Zeit der Regelfall war – wurden die neuartigen Kipploren zwar immer noch von Menschen oder Tieren bewegt, jetzt aber mit deutlich weniger Anstrengung. Hinzu kommt, dass jenseits der Feldbahnnutzung die Mechanisierung auch in anderen Bereichen der Ziegelproduktion Einzug hielt. Mit den in den 1930er Jahren aufkommenden „Eimerketten-Baggern“ konnten nun auch härtere Böden abgebaut und tieferliegende Tonschichten erreicht werden. Das neue System belud die Loren dabei nicht nur, sondern zerkleinerte das Material auch und mischte es vor.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Dampfmaschinen auf. Fahrbare Ausführungen (sog. Lokomobile) konnten auch für den Antrieb von Ziegel-Strangpressen eingesetzt werden, die unter freiem Himmel betrieben wurden. Dampfmaschinen waren jedoch kostspielig und benötigten speziell ausgebildetes Personal, das vor 1900 auf dem Arbeitsmarkt kaum zu finden war. Der Übergang von der handwerklichen Handstrichziegelei zur industriell geprägten Maschinenziegelei vollzog sich daher entsprechend langsam. Die erste Dampfmaschine in einer lippischen Ziegelei wurde übrigens 1886 in Betrieb genommen. Bis zur Jahrhundertwende hatte sich die Zahl der Dampfziegeleien im Fürstentum bereits auf 9 erhöht.

Neue Produktionsabläufe – weniger Ziegeleien
Die neuen maschinellen Methoden führten zu einer Veränderung der althergebrachten Arbeitsgänge wie dem Wintern, dem Sümpfen oder dem Schlämmen. Durch die Erfindung der Ziegelpresse (C. Schlickeysen, 1854) konnten Ziegel jetzt auch maschinell hergestellt werden. Zusammen mit der Erfindung des Ringofens (F. Hoffmann, 1858) ergaben sich für Ziegeleien umwälzende Veränderungen mit enormen Auswirkungen auch auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Maschinen gaben jetzt den Arbeitstakt vor: eine Maschine konnte leicht 10.000 Ziegel täglich liefern, wohingegen ein erfahrener Ziegelstreicher nur etwa 2.000 Steine schaffte. Der Maschineneinsatz in der Produktion führte beim Personal zu einer hohen körperlichen Belastung durch viel kürzere Zeittakte als bisher, Lärm und die Monotonie der Arbeit kamen hinzu. Der Konkurrenzdruck machte die Umstellung auf Maschinenbetrieb langfristig unumgänglich. Das war jedoch teuer und viele Unternehmen konnten sich diese Investitionen nicht leisten. In der Folge gingen viele Arbeitsplätze verloren. Die teuren Maschinen mussten aus betriebswirtschaftlichen Gründen möglichst ganzjährig laufen, so dass Ziegeleibesitzer in industriell geprägten Gegenden sogar Wohnhäuser für die Ziegler bauen mussten, da diese fortan nicht mehr nur rein saisonal tätig waren.

Das System der Feldbahn hat sich im Laufe der Zeit auch für sämtliche andere Arten von Materialtransporten im Ziegeleibetrieb bewährt, so etwa für die Umlagerungen der Steine vor und nach dem Brennen. Die Bedeutung des Systems der Feldbahn für Ziegeleien weist demnach weit über den Antransport des Lehms aus der Tongrube hinaus.
Ab 1900 ist statistisch belegbar, dass eine steigende Zahl von Ziegeleien mit einer abnehmenden Zahl der Beschäftigten korrespondierte, denn die modernen Maschinenziegeleien benötigten weniger Mitarbeiter als die traditionell arbeitenden Betriebe. Einen weiteren Einschnitt bedeuteten die kriegsbedingten zwangsweisen Stilllegungen von Ziegeleien im Mai 1943.
Ziegeleimuseum
Das Industriemuseum Ziegelei Lage ist eine etablierte Kultureinrichtung des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und als solche weit über die Region Ostwestfalen-Lippe hinaus bekannt. Das Museum vermittelt einen hervorragenden Einblick über die Rolle der Feldbahnen im Ziegeleibetrieb. Bei Aktionstagen sind Eimerketten-Bagger in Betrieb, beladene Loren werden den Schrägaufzug zur Kippbühne hinaufgezogen und Besucher können bei einer Fahrt über das Gelände der ehemaligen Tongrube ursprüngliches „Feldbahn-Feeling“ erleben. Absolut empfehlenswert ist auch der reich bebilderte Museumsführer, dem zahlreiche Informationen zum vorstehenden Artikel entnommen sind.

ist Mitglied der Eisenbahnfreunde Lippe e. V. sowie des Lippischen Heimatbundes Ortsverein Lage und hat zu Themen des lippischen Schienenverkehrs, der lippischen Luftfahrtgeschichte und zur Stadtgeschichte Lage veröffentlicht
Konrad Soppa, 14.11.2025
