Ein in der Eisenbahnliteratur nur wenig beachteter Aspekt des Massen-Güterverkehrs bezieht sich auf die sogenannten Sandbahnen. Eine neue Veröffentlichung aus dem Laumann-Verlag beschäftigt sich genau damit und gewährt interessante Einblicke in den Transport von gewaltigen Mengen Sand, der bereits seit „Kaisers Zeiten“ in Bergbaugebieten zur Verringerung später auftretender Bergschäden in aufgegebene Stollenanlagen eingeschwemmt wird. Sowohl die für den Betrieb notwendige Infrastruktur als auch das verwendete Rollmaterial prägten dabei den oberschlesischen Industriebezirk, der seit 1945 zum größten Teil zu Polen gehört. Autor Dr. Jakub Halor zeigt dabei auch den Spagat auf, der sich aus dem massiven Kohleabbau einerseits und den daraus entstehenden Landschaftsschäden andererseits ergibt.
Die oberschlesische Sandbahn ist aufs Engste mit dem Namen des Grafen von Ballestrem verbunden. Er war Mit-Eigentümer der 24 km langen Bahn, die 1913 in einem gemeinsamen Projekt von Ballestrem und den Berliner Borsig-Werken geplant und gebaut wurde. Das fahrzeugtechnische Aushängeschild der Bahn waren die mächtigen 5-fach-gekuppelten Tenderlokomotiven aus dem Hause Borsig.

Mit Blick auf ihren Verwendungszweck mussten die Maschinen über eine große Reibungsmasse verfügen. Dementsprechend ergaben sich zuletzt Achsfahrmassen von beachtlichen 23 t.
Auf der von Ballestrem´schen Sandbahn verkehrten bereits von Anfang an (seit 1913) E-gekuppelte Maschinen. Die letzten vier Maschinen lieferte Borsig zwischen 1935 und 1938 an die Sandbahn-Gesellschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg taten diese Loks noch Dienst bei der polnischen Staatseisenbahn, wovon eine den Weg ins Warschauer Eisenbahnmuseum fand. Übrigens wurde einer der letzten Sandbahnzüge im Dezember 2018 von der DB Cargo (Polska, vorm. KP „Szczakowa“) gefahren.

Dr. Halor ist ausgewiesener Kenner der Eisenbahnen im schlesischen Raum und hat verschiedentlich zu Straßenbahn- und Schmalspurbahn-Themen veröffentlicht. Die nun vorliegende Veröffentlichung ist eine Übersetzung aus dem Polnischen. Für das Vorwort konnte er Nikolaus Graf von Ballestrem gewinnen, ein Nachfahre des Mitbegründers der Oberschlesischen Sandbahn.
Das Werk „Sandbahnen in Oberschlesien – Entwicklung, Niedergang, Vermächtnis“ ist soeben bei Laumann in Dülmen erschienen und kostet 15,80 €. Es sei allen Eisenbahninteressierten empfohlen.

ist Mitglied der Eisenbahnfreunde Lippe e. V. sowie des Lippischen Heimatbundes Ortsverein Lage und hat zu Themen des lippischen Schienenverkehrs, der lippischen Luftfahrtgeschichte und zur Stadtgeschichte Lage veröffentlicht
Konrad Soppa, 04.12.2025
